Eigene Reparaturinitiative gründen?
Wir hatten jetzt schon öfters Kontakt mit Menschen die eine Reparaturinitiative gründen wollten oder teilweise schon haben, und aktuell wieder welche, die das jetzt vorhaben. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, wo wir einmal das wichtigste zusammenfassen, damit wir nicht jedes Mal wieder von vorne anfangen müssen. Zusätzlich geht es auch darum, dass wir nicht immer Dinge vergessen zu erwähnen.
Was wir hier nicht behandeln sind Vereinsstrukturen, rechtliche Dinge, etc. Da sind wir nicht die richtigen Ansprechpartner.
Wie repariert Ihr?
Macht Euch im Vorfeld klar, in welcher Art und Weise Ihr Euren Reparaturtreff organisieren wollt. Seht Ihr Euch als Dienstleister, wo Menschen Ihre defekten Dinge vorbei bringen und solange einen Kaffee trinken, während Ihr die Geräte repariert? Oder wollt Ihr die Gäste anleiten zum Reparieren? Für uns ist es klar, wir reparieren mit unseren BesucherInnen und leiten an zur Selbsthilfe. Das hängt aber davon ab, wie Ihr das machen wollt. Aber das muss im Vorfeld klar sein, und auch so mit den Mitreparierern abgestimmt sein. Wenn Ihr Euch dazu entschließt, gemeinsam mit den BesucherInnen zu reparieren, dann sollte man auch sich selbst und seine KollegInnen hin und wieder daran erinnern, dass die GästInnen das Werkzeug in der Hand halten sollten.
Eure Gruppe
Wir für uns machen es so, dass wir uns eine Stunde vor dem eigentlichen Beginn treffen, und gemeinsam eine Brotzeit machen. Die Brotzeit wird immer von ein/zwei/drei aus unserer Runde besorgt, die Kosten geteilt oder durch Spenden beglichen. Diese Stunde ist unsere Zeit zum sozialisieren. Sie ist wichtig für die Gruppe. Irgendwann haben das die BesucherInnen mitbekommen, und kamen dann auch schon zuerst eine viertel Stunde, dann eine halbe Stunde früher, damit sie auch bestimmt dran kommen. Wir schicken die Leute mittlerweile wieder vor die Tür. Das ist die Zeit für die Gruppe, wo wir uns austauschen, auch über privates reden, etc. Nehmt Euch die Zeit für Euch als Gruppe – aus unserer Erfahrung macht dieses soziale Zusammenkommen einen Großteil des Charmes aus! Wie Ihr das dann organisiert mit fest verteilten Rollen usw, das hängt von Eurer Gruppe ab.
Wir nehmen uns auch ein paar mal im Jahr die Zeit für ein „Repair the Repair Cafe“, wo wir uns ein paar Stunden zusammensetzen, alles organisatorische abklären, Werkzeug sortieren/reparieren, Einkaufswünsche diskutieren etc. Im normalen Betrieb ist da die eine Stunde vorher manchmal zu knapp und Dinge bleiben liegen. Einigt Euch auf EINEN Kommunikationskanal. Bei uns ist es eine Mailingliste, über die auch die BesucherInnen Kontakt zu uns aufnehmen. Über die Mailingliste organisieren wir unsere Brotzeit und wer am jeweiligen Abend dabei ist, damit genügend Brotzeit organisiert wird; auch Abstimmungen laufen über diese Mailingliste. Wir haben noch eine Chatgruppe, aber die ist eher unser Wohnzimmer. Da sind nicht alle Mitglieder dabei, dürften es aber. Sobald in der Chatgruppe etwas auftaucht, was die Organisation des Treffens, oder die Gruppe betrifft, dann muss die Unterhaltung über die Mailingliste laufen, auf der alle sind. Was Ihr als Kommunikationskanal wählt, ist natürlich Eure Sache. Warum haben wir uns für die Mailingliste entschieden: Manche nutzen WhatsApp, manche Signal, andere wieder Threema – aber eMail nutzt JEDE:R.
Wenn unter den Besuchern Menschen sind, die Spaß am Reparieren haben, sprecht sie direkt an, ob sie nicht als Helfer kommen wollen. Das Interesse an unserer Reparaturinitiative wird immer größer, aber auch die Anzahl an Helfern wächst parallel mit. Nehmt neue Helfer gleich in Euren Kommunikationskanal auf, damit da keine Lagerbildung entsteht, die Altvorderen gegen die Neuen, sondern bindet die Neuen gleich voll mit ein.
Infrastruktur
Jetzt haben wir über Kommunikationswerkzeuge gesprochen, wie z.B. eine Mailingliste. Sobald sich mehr als drei Mitglieder gefunden haben, funktioniert eine Mail mit „allen antworten“ erfahrungsgemäß nicht mehr. Wir haben zu Beginn die Infrastruktur für die Mailingliste selbst betrieben, da wir IT-affine Menschen haben. Aber die Betreuung einer Mailingliste ist aufwändig. Wir haben das Glück, hier bei uns einen Hackspace (https://www.binary-kitchen.de/) zu haben, der viel an digitaler Infrastruktur hostet. Dort hat man sich bereit erklärt, unsere Mailinfrastruktur mitzubetreiben. Auf deren Infrastruktur haben wir auch während Corona Video Reparaturtreffen abgehalten. Nutzt solche Synergien, wenn sie sich ergeben. Wir haben als Infrastruktur jetzt noch selbst eine Nextcloud, wo wir Dokumente teilen können. Handbücher für Geräte, Texte für unsere Laufzettel, Materiallisten, Werkzeugwünsche, etc. Einen Onlinespeicher, auf den alle Zugriff haben, würden wir empfehlen, es erleichtert die Arbeit ungemein. Man sollte auch mit den potentiellen BesucherInnen kommunizieren können. Bei uns ist es direkt die Mailingliste, auf die die Anfragen kommen. Es kann aber auch eine eigene Mailadresse sein. Die bringt aber nichts, wenn sie nicht bekannt ist. Also sollte neben Social Media auch eine eigene Homepage da sein. Es kommen aus Erfahrung sehr viele Anfragen darüber rein. Eine Instagramseite mag schön sein, aber das kann man nur abrufen, wenn man selbst einen Instagramaccount hat. Wenn der Ort, wo Ihr Eure Treffen abhaltet (Pfarrhaus der Kirchengemeinde, Offen Werkstatt, kommunale Räumlichkeiten), schon eine Homepage hat, veröffentlicht einfach dort Eure Kontaktinformationen und Termine. Der Betrieb einer eigenen Seite mit dem dazugehörigen Administrationsaufwand ist dann nicht notwendig. Wenn Ihr dann eine Seite habt, ob eine eigene oder irgendwo als Gast, dann fragt bei den Reparaturinitiativen in der Umgebung nach, ob sie auf Euch verlinken wollen, und setzt auch Links zu denen zurück. Wenn jemand aus einer anderen Ecke des Landkreises Euch gefunden hat, freut er oder sie sich sicherlich, wenn da direkt ein Link zu einer Initiative in der Nachbarschaft ist.
Versicherung und Co.
Nochmal, für rechtliches und Co. sind wir die falschen, um Euch zu beraten. Wo Ihr gute Unterstützung für die Gründung Eurer Initiative bekommt, ist die Anstiftung (https://anstiftung.de/). Die haben auch (über den Verband offener Werkstätten https://offene-werkstaetten.org/de/seite/versicherung) eine Versicherung speziell für offene Werkstätten und Reparaturinitiativen, die bezahlbar ist und die besonderen Bedürfnisse abdeckt.
Werkzeug
Was Ihr an Werkzeug benötigt, hängt natürlich auch davon ab, was Ihr reparieren wollt, und ob in Euren Räumlichkeiten eventuell schon Werkzeug vorhanden ist. Zu Anfang haben wir jeder unser eigenes Werkzeug von zu Hause mitgebracht. Nachdem dann die eine oder andere Spende da war, haben wir angefangen, Werkzeug zu kaufen.
Was sich empfiehlt, mehrfach (am besten je Arbeitsplatz) da zu haben, sind auf alle Fälle:
- Schraubenziehersets mit Kreuz, Schlitz, und den gängigsten Torx. Bei den großen Discountern gibt´s auch regelmäßig Bit-Sets mit Sicherheitsbits. Die sind auch immer sehr hilfreich.
- Multimeter sollten auch mehrere da sein. Wir haben uns da für relativ günstige entschieden, damit wir an jedem Arbeitsplatz eines haben, sowie ein einzelnes sehr hochwertiges, das dann von den Menschen, die es bedienen können, für feineres Messen verwendet wird.
- Wir haben jetzt noch mehrfach ein IFIXIT Set gekauft. Da sind viele verschiedene Bits zum Öffnen der unterschiedlichsten Geräte, ein paar Plastikhebel zum Gehäuse-aufhebeln, Saugnäpfen zum Gehäuse-öffnen, etc. Diese Sets sind Gold wert. Am Anfang reicht eins, aber wenn es möglich ist, schaut, dass ihr da mehrere davon da habt. IFIXIT verlost und verschenkt auch des öfteren Sets an Reparaturinitiativen. Darüber haben wir auch das eine oder andere Set kostenlos bekommen.
- Schraubenschlüssel- und Inbusschlüsselsatz reicht erstmal einer.
- Eine vernünftige Lötausrüstung sollte auch da sein, mit Entlötpumpe oder Sauglitze.
- Ein Set verschiedener Zangen.
- Klebstoffe für verschiedene Zwecke.
- Eine Auswahl an Netzkabeln und Schaltern.
- Nähmaschinenöl und Reinigungsmittel, Isopropanol.
Ansonsten ist es eher nicht ratsam, Ersatzteile vorzuhalten, da es einfach unwahrscheinlich ist, dass genau dieses Ersatzteil benötigt wird. Da ist es besser, mit den Gästen erst mal eine Fehleranalyse durchzuführen und dem Gast zu helfen, wo er das Ersatzteil besorgen kann.
Aus gleichem Grund solltet ihr Euch noch gründlich überlegen, ob ihr „Sachspenden“, in Form von Altgeräten, Lagerauflösung, oder auch nicht reparable Mitbringsel annehmen wollt. Diese werden uns regelmäßig angeboten. Und wir haben für uns die klare Entscheidung getroffen, diese grundsätzlich abzulehnen, damit es sich auch nicht herumspricht. Dennoch ist es schon vorgekommen, dass wir vor unseren Türen abgestellten Elektroschrott vorfanden, bzw. Gäste ihre defekten Geräte „vergessen“.
Das genannte reicht für die meisten Probleme an Haushaltselektronik. Wenn Ihr jetzt Möbel oder Kleidung reparieren wollt, braucht Ihr da natürlich das passende Werkzeug, aber das ist eben was wir so am Anfang empfehlen. Die häufigsten Reparatur-Anfragen bei uns kommen aus dem Bereich der Haushaltselektronik (Küchengeräte, Leuchten, Spielzeug, Staubsauger, Kaffeevollautomaten, evtl mal Laptops/Tablets/Drucker). Ihr werdet mehr und anderes Werkzeug brauchen, aber das kann man sich dann nach und nach zulegen. Natürlich hilft uns manchmal unser elektronisches Mikroskop oder die Wärmebildkamera ungemein, aber am Anfang liegt da eben nicht die Priorität drauf. Das kann man sich alles dann im Laufe der Zeit zulegen. Und wie gesagt, wir haben angefangen mit dem privaten Werkzeug unserer Helfer. Je nachdem was Ihr an Werkzeug habt, und wo die Fachgebiete der Mitglieder liegen, könnt Ihr auch nur gewisse Dinge reparieren. Schreibt dann das auch so in Eure Einladungen. Es bringt niemandem etwas, wenn er mit einem kaputten Stuhl kommt, und es ist kein Holzleim da.
Hilfe und Unterstützung
Schaut bei Reparaturinitiaven in Eurer Umgebung vorbei. Meistens sind dort ganz nette Menschen, die gerne bei der Gründung eines weiteren Reparaturtreffs helfen. Wir sehen das nicht als Konkurrenz, sondern als Bereicherung. Falls es bei Euch in der Umgebung so etwas noch nicht gibt, fragt bei existierenden Gruppen nach, per Social Media oder Mail oder wie auch immer. Wenn es bei Euch eine Initiative gibt, geht dort vorbei, und arbeitet da mal für einen Abend mit. Öfters leisten andere Initiativen auch Geburtshilfe, indem sie Euch für die ersten paar Male das Werkzeug leihen, vorbeikommen zum Helfen, etc. oder man kann bei speziellen Problemen auf die Reparaturinitiative im Ort nebenan verweisen, die zufällig das passende Spezial-Messgerät haben. Durch diese ganzen Überschneidungen der Initiativen haben wir durchaus auch etliche Mitglieder, die in mehreren Gruppen aktiv sind. Es kam auch schon zu einer Ausgründung von uns, weil die Mitglieder aus einem Vorort waren, und es das noch nichts gab. Eine andere Gruppe hat ohne nennenswertes Werkzeug begonnen, und die erste Veranstaltung komplett mit unseren Werkzeugkoffern abgehalten. Vernetzt Euch – das hilft euch!
Die oben genannte Anstifung betreibt auch eine Plattform für die Vernetzung der Reparaturintiativen untereinander (https://www.reparatur-initiativen.de/), bietet auch regelmäßig Webinare und Veranstaltungen an, von der Gründung über den Betrieb und alles weitere rund um Reparaturinitiativen.
Das ist das wichtigste was uns eingefallen ist. Wenn noch etwas fehlt, fragt gerne bei uns nach, dann können wir diesen Artikel in Zukunft auch noch erweitern.